Riechfläschchen

Objekt des Monats Mai 2020

Datierung: letztes Viertel 19. Jh. 
Herkunft: Thusis
Hersteller: Perlmutt-Industrie Adorf, Deutschland
Inventarnummer: H2010.8 

-
 

«Nachbarin, Euer Fläschchen!» rief Gretchen in Goethes «Faust», bevor sie ohnmächtig wurde. Sie meinte damit das Riechfläschchen, das den Damen bei Schwindel- und Ohnmachtsanfällen zur Belebung unter die Nase gehalten wurde. Solche Fläschchen enthielten intensiv riechende flüssige Substanzen, bestehend aus Ammoniaksalz, parfümiert mit ätherischen Ölen.
Unser Fläschchen aus Perlmutt mit versilberter Messinggarnitur und Anstecknadel stammt vermutlich aus Adorf im sächsischen Vogtland, einem Zentrum der Perlmutt-Industrie bis in die 1920er Jahre. Dort wurden ab 1875 solche Schmuckstücke und Accessoires aus Muschelschalen produziert.
Ohnmachtsanfälle von Frauen kamen zu den Zeiten, in denen einschnürende Kleidungsstücke wie Korsetts zur Damenmode gehörten, wohl öfter vor. Sie wurden insbesondere auch durch starke Emotionen ausgelöst und als Symptom der Hysterie gedeutet, die als typisch weibliche Krankheit galt. Häufige Schwächeanfälle und der Griff zum Riechfläschchen waren jedoch auch ein gesellschaftlich geprägtes Verhalten, das Anfang des 20. Jahrhunderts wieder verschwand.

 

Entdecken Sie weitere «Objekte des Monats» >>